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Anmerkungen zur Theologie These
Inhalt
Ich gebe nicht vor das Wesen der Theologie vollständig erkannt zu haben. Ich gebe hier nur die (Teil-)Erkenntnisse und (Teil-)Antworten wieder, die mir auf meine Fragen bisher zugefallen sind. Die
»Offenbarungswissenschaft« Theologie erscheint mir
zunehmend als ein in sich geschlossenes System,
als selbst gewähltes Denk-Getto.
Innerhalb dieses Gettos wird, ausgehend von unantastbaren Dogmen,
konsequent gedacht, wortreich beschrieben und mit beneidenswert
schöpferischer Fantasie interpretiert. Gleichzeitig
praktizieren die Theologen, bezogen auf die Denk-Optionen
jenseits der Dogmen, konsequenten Denk-Verzicht. Theologische (Lehr-)Bücher zur Dogmatik, zur Systematischen Theologie etc. gleichen Labyrinthen und vermitteln nicht den Eindruck, wichtige Erkenntnisse im Dienste des christlichen Glaubens verständlich darstellen zu wollen. Ganz im Gegenteil – und das liegt wohl entscheidend an den zugrunde liegenden Dogmen. Im Buch Der Jesus-Mythos des katholischen Theologen Peter de Rosa (*1932) fand ich den Satz:
Natürlich bezieht sich Peter De Rosa insbesondere auf die Römische Konfession, die er als Absolvent der Gregoriana, der päpstlichen Universität in Rom und als ehemaliger Priester, als Insider also, sehr gut kennt. Grundsätzlich gilt diese Aussage m. E. leider auch für die protestantische Ausprägung christlicher Theologien.
Der Kulturwissenschaftler Jan Assmann (*1938) erwähnt in seinem Buch Die Mosaische Unterscheidung die unterschiedlichen Arten von Wahrheiten:
In diesem Zusammenhang äußert sich Jan Assmann auch zu den Begriffen "Wissen" und "Glaube":
Hiermit wird das, auf intellektuell redliche Weise erworbene, Wissen – mit seinen relativen und überholbaren Wahrheiten – klar und unmissverständlich vom theologischen "Offenbarungswissen" – mit seinen absoluten und unüberbietbaren "Glaubenswahrheiten" – abgegrenzt. Diese Abgrenzung ist die Ursache für große intellektuelle Schwierigkeiten bei den Theologen, deren "intellektuelles Gewissen" sich immer wieder einmal regt. Auf diesem Hintergrund wird verständlich, dass der deutsch–amerikanische Philosoph Walter Kaufmann (1921-1980) in seinem Buch Der Glaube eines Ketzers den Theologen "Doppelzüngigkeit" vorhält. Sie reden für Eingeweihte anders als für das Gros der sog. Gläubigen. Kaufmann erwähnt in diesem Zusammenhang u. a. die Theologen Rudolf Bultmann und Paul Tillich. Der Philosoph Karl Jaspers (1983-1969) kritisierte die von Rudolf Bultmann (1884-1976) geforderte "Entmythologisierung" des Neuen Testaments. Dies provozierte Bultmann zu einem entlarvenden Eingeständnis, das Walter Kaufmann so beschreibt (S. 109/110):
Ebenso "Entlarvendes" zeigt Walter Kaufmann von Paul Tillich (1886-1965) auf (S. 134):
Für mich zeichnet sich das Verhalten Tillichs nicht nur durch "Doppelzüngigkeit", sondern vor allem auch durch Arroganz und einen erschreckenden Mangel an intellektueller Redlichkeit aus. – Walter Kaufmann fasst seine Überlegungen in einem späteren Absatz desselben Kapitels dann so zusammen (S. 135):
Anmerkung Bei dem von Walter Kaufmann aufs Korn genommenen Theologen Paul Tillich stieß ich selbst auch auf sehr Widersprüchliches. Im Wörterbuch des Christentums beginnen die Erläuterungen zum Stichwort »Theismus« mit der Feststellung: "Die Theologie redet seit Tillich oft vom »nachtheistischen Zeitalter«." Dies fand ich in Paul Tillichs (1886-1965) schmalem Bändchen mit dem Titel Der Mut zum Sein bestätigt. Das vorletzte Kapitel darin trägt die Überschrift Die Überwindung des Theismus. Im Schlussabsatz dieses Kapitels führt Tillich, nach sehr theologisch-kryptischen Ausführungen, den "Gott über Gott" ein, der nicht so beschrieben werden könne "wie der Gott aller Formen des Theismus beschrieben werden kann". Das letzte Kapitel heißt Der Gott über Gott und der Mut zum Sein, in dem Tillich u. a. sagt: "Der Gott über dem Gott des Theismus ist in jeder göttlich-menschlichen Begegnung gegenwärtig, wenn auch nicht offenbar." Das Kapitel und damit das hier zitierte Büchlein enden dann mit dem Satz "Der Mut zum Sein gründet in dem Gott, der erscheint, wenn Gott in der Angst des Zweifels untergegangen ist." Tillich scheint nun doch eine ziemlich genaue Vorstellung von seinem "Gott über Gott" zu haben!? Geradezu "umwerfend" empfand ich dann eine Feststellung des Theologen Wilfried Härle (*1941), die ich in dessen Dogmatik im Kapitel Das Verhältnis von revelatio generalis und revelatio specialis fand:
Kann es sein, dass sowohl Tillich als auch Härle entgangen war, dass Jesus Christus Teil des "trinitarischen Gottes" der Christen ist, und das die Verehrung des letzteren eine spezifische Form des Theismus darstellt? Die "glückliche Begriffsklärung Tillichs" erscheint mir jedenfalls nicht nur als ein Ausdruck unüberbietbarer Anmaßung, sondern, nach der Überwindung des Theismus, als purer Unsinn. Derartige Glaubensmeinungen bzw. theologische Denkfiguren lassen sich nur damit erklären, dass Selbstkritik für Theologen in ihrem selbstgewählten theologisches "Denk-Getto" (s. unten) ein Fremdwort ist. Da erscheint mir die Frage nach ihrer Wahrhaftigkeit als naheliegend und legitim. Es ist wohl nicht ganz abwegig anzunehmen, dass die meisten Theologen
Ist ein Theologe wahrhaftig, der über dieses Wissen verfügt, aber dennoch die tradierten Glaubensvorstellungen und -bekenntnisse weiter als unumstößliche "Wahrheiten" vertritt? Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844-1900) auch an Theologen dachte, als er eine bestimmte Kategorie von Menschen so charakterisierte:
Anmerkung In dem erst vor wenigen Wochen erschienenen Buch Der Jesuswahn des Theologen Heinz-Werner Kubitza (*1961) fand ich eine Bemerkung über das Verhalten vieler Theologen, die die Eingangsthese zu diesem Menüpunkt "Theologie hat nichts mit Wahrheit zu tun, sondern mit Dogmen" (s. oben) zu bestätigen scheint. Es handelt sich um ein derart intensiv eingeübtes (Fehl-)Verhalten, dass die Betroffenen selbst sich dessen wahrscheinlich nicht mehr bewusst sind:
Über theologische "Wahrheit" fand ich beim katholischen Theologen Peter de Rosa (*1932) eine überzeugende Feststellung, die eines jener grundsätzlichen Dilemmata der Theologen beschreibt, das sie selbst aufgrund ihrer spezifischen Geistesverfassung wohl gar nicht wahrnehmen können:
Theologie gibt vor, eine Wissenschaft zu sein. Der Theologe Karl Barth (1886-1968) nahm für sie sogar den Begriff »Offenbarungswissenschaft« in Anspruch. Eine Theologin verstieg sich neulich (s. Publik-Forum 24 · 2008) dazu, Theologie als »Glaubenswissenschaft« zu bezeichnen (und aus dem Kontext ließ nichts darauf schließen, dass dies satirisch gemeint war). Vielleicht lässt sich Theologie als »metaphysisches Ideengebäude« begreifen, das sich nicht auf Erkenntnisse aus der Analyse erfahrbarer Realität gründet. Vielmehr bestehen seine Fundamente aus dogmatisch verfestigten Produkten spekulativer menschlicher Fantasie. M. E. lassen sich allenfalls Teildisziplinen, etwa die historisch-kritische Exegese frühchristlicher Schriften oder die Religions-, Christentums- und Kirchengeschichte, als wissenschaftlich bezeichnen, soweit sie von intellektuell redlichen Theologen, nach streng wissenschaftlichen Maßstäben und Methoden, betrieben werden. Die theologischen Teildisziplinen Systematische Theologie oder Dogmatik geben sich zwar einen wissenschaftlichen Anstrich – aus taktischen Gründen ganz unerlässlich, solange die theologischen Fakultäten staatlich finanziert werden – liefern aber nichts anderes als wortreiche Interpretationen von Dogmen. Letztere gelten den meist sehr fantasiebegabten Interpreten als unumstößliche "Axiome" ihrer "Wissenschaft", auf die sie ihre Lehr- bzw. Glaubensmeinungen gründen. Dogmen wurden nicht vom Christentum erfunden, sie waren lange vorher schon in der griechischen Geisteswelt bekannt. Der katholische Theologe Peter de Rosa (*1932) sieht sie als "Überbau eines geistigen Imperialismus" und ergänzt: "Ihr Hauptzweck ist nicht Wahrheit, sondern Ordnung, Weltordnung." Vertreter allgemein anerkannter Wissenschaften (Naturwissenschaften, Empirische Wissenschaften) arbeiten mit Modellen bzw. Theorien bei der Beschreibung der "Welt", ohne den Anspruch zu erheben, ihre jeweils neuesten Theorien seien mehr als "vorläufig gesicherte Erkenntnisse". Im Gegensatz dazu sind die Theorien der Theologen, jene mit dem "Beistand des Heiligen Geistes" formulierten und beschlossenen Dogmen, nicht weniger als unüberbietbare "göttliche Wahrheiten". Und für diese gilt immer noch das bekannte, den "Charakter urchristlicher Gläubigkeit" kennzeichnende, Wort unbekannten Ursprungs (Gustav Wyneken): »Credo quia absurdum est – ich glaube es, eben weil es unsinnig ist«. Ein Grundproblem der Theologie (vielleicht das entscheidende?) beschreibt der Philosoph Walter Kaufmann (1921-1980) so:
Die von Walter Kaufmann angesprochenen "Sekundärtexte", insbesondere die "auf den Konzilen gebosselten" Dogmen etc., sind ja das bevorzugte Arbeitsfeld der sytematischen Theologie bzw. der Dogmatik. Nach allem was mir bisher aus der Geschichte der Dogmenbildung bekannt geworden ist (s. hier), befassen sich die theologischen Vordenker des organisierten Christentums mit Texten, die vor etwa sechzehnhundert Jahren erdacht und beschlossen wurden. Erdacht von Menschen der hellenistischen Spätantike und von skrupellosen Machtmenschen der damaligen Epoche als verbindliche Glaubensmeinung und als Rechtsgrundlage für die Verurteilung Andersdenkender in Kraft gesetzt, sind sie seit jener Zeit unverändert im Gebrauch. Bei nüchterner Betrachtung wirkt der Hauptgegenstand der akademischen systematischen Theologie daher abgenutzt und verstaubt, ohne jeden Gebrauchswert für Menschen des 21. Jahrhunderts. Ein Theologe, insbesondere einer der sich mit Dogmatik oder systematischer Theologie befasst, ist für mich vergleichbar mit einem Chirurgen, der, an akutem Realitätsverlust leidend, sich noch immer im OP wähnt, während er tatsächlich schon seit langem im Leichenkeller praktiziert. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an eine Feststellung Ludwig Feuerbachs (1804-1872) im Vorwort zur 1. Auflage seines berühmten Buches Das Wesen des Christentums. Er beschreibt dort, wie in seiner "Schrift" die Theologie behandelt wird, nämlich "als psychische Pathologie". Während Wissenschaftler stets bemüht sind, ihr Wissen weiterzuentwickeln und dabei Irrtümer möglichst zu vermeiden, können Theologen lediglich althergebrachte "Glaubenswahrheiten" anbieten, deren "Wahrheitsgehalt" nicht überprüft werden kann und daher dogmatisch behauptet werden muss. Eine "Weiterentwicklung" der Theologie findet allenfalls durch eine veränderte, vermeintlich modernere, Interpretation jener "Glaubenswahrheiten" statt, ohne jedoch deren, aus der Spätantike stammenden, Inhalte auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. Die in den Wissenschaften üblichen anerkannten Verfahren zur Verifizierung bzw. Falsifizierung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse oder Theorien sind auf "Glaubenswahrheiten" nicht anwendbar. Das, was für Wissenschaftler selbstverständlich ist, ist für Theologen völlig irrelevant. Theologen erwarten, mehr oder weniger unausgesprochen, dass ihre dogmatisch behaupteten "Wahrheiten" schlicht geglaubt werden. Sie müssen nicht verstanden werden: Jeder etwaige Falsifizierungsversuch könnte zum »Abfall vom Glauben« führen und wäre somit eine Gefahr für das "Seelenheil" der Gläubigen. Der Respekt vor kritischer Vernunft und das Streben nach Weiterentwicklung der gewonnenen Erkenntnisse, wichtige Voraussetzungen ernsthafter wissenschaftlicher Arbeit, bleiben dabei auf der Strecke. Ein weiteres Indiz dafür, dass Theologie weit davon entfernt ist, eine Wissenschaft zu sein, zeigt sich auch in ihren konfessionell bedingten, unterschiedlichen Ausprägungen: Hat es jemals eine protestantisch, römisch oder orthodox geprägte Physik oder Mathematik gegeben? Im Übrigen haben unzählige Verfechter des Christentums, von seiner Frühzeit bis in die Gegenwart, Begriffe, theologische Redewendungen und Argumente zur Stützung selbst der unsinnigsten Thesen entwickelt und stets weiter verfeinert, die insbesondere auf Menschen, bei denen "das kritische Bewusstsein unentwickelt oder die natürliche Leichtgläubigkeit ungebrochen ist" (Paul Tillich), sehr überzeugend wirken. Solange Theologen, wie insbesondere in Deutschland, in großer Zahl auf den von der Gesellschaft finanzierten sichersten Arbeitsplätzen der Welt sitzen und ungehindert ihre Argumentations-, Interpretations- und Manipulationskünste weiterentwickeln können, wird sich daran auch nichts ändern: Die vergleichsweise kleine Schar der Kritiker hat gegenüber der gut organisierten Phalanx der Kirchen und ihrer Theologen vorläufig nur geringe Chancen, sich Gehör zu verschaffen. Beim Theologen Gerd Lüdemann (*1946) stieß ich auf ähnliche Überlegungen. In seinem Buch Das Unheilige in der Heiligen Schrift zieht er aus der oben geschilderten Situation, bezogen auf die Möglichkeit einer "fundierten Kritik an Kirche und Theologie", folgenden Schluss:
Meine persönliche Schlussfolgerung: Ich lasse mich nicht entmutigen. Anmerkung
Der selbst gebastelte
"Käfig"
der Theologie Das großartige Gebäude der Theologie erweist sich, bei näherer Betrachtung, als selbst gebastelter "Käfig", als ein grandioses Denk-Getto. Seine Insassen bemerken dies nicht. Sie wähnen sich vielmehr in einem höchst komfortablen, "staatskirchenrechtlich geschützten Theotop" (s. auch hier), in dem sie wohldotiert und ungestört ihren theologischen Hobbys frönen können. Wie gefangen Theologen in diesem "Käfig" sind, mag ein aus dem Bereich der römischen Konfession entlehntes, ebenso simples wie krasses, Beispiel zeigen, das sich wohl in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts (!) ereignete und von Peter De Rosa (*1932) in seinem Buch Der Jesus-Mythos so beschrieben wurde:
Im Zusammenhang mit der Thronbesteigung Joseph Aloisius Ratzingers (*1927), als Benedikt XVI., wurde in der Presse dessen herausragende Intelligenz gerühmt. Mir scheint, dass ihn seine "Intelligenz" in der vorher ausgeübten Funktion als Chef der Glaubenskongregation zum Thema glutenfreier Hostien zur Höchstform auflaufen ließ. Sollte
es irgendwann in der Zukunft – nach wieviel weiteren
verlorenen Generationen? – zu der notwendigen
Neuorientierung des Christentums, zu dem wünschenswerten Paradigmenwechsel
kommen, werden die diversen
theologischen Lehr- und Glaubensmeinungen, also all die typischen
Produkte aus dem Denk-Getto der Theologie der letzten 2000 Jahre,
allenfalls noch von historischem Interesse sein. Die eben
beschriebene Behausung der Theologen wäre –
vorausgesetzt, es geht dann nicht wieder etwas schief –
verwaist und fiele wahrscheinlich sehr rasch in sich zusammen.
Die ihm zeitlich nachfolgenden unbekannten Redakteure, Schreiber, Dichter, Nacherzähler oder Fälscher der kanonisierten Schriften des NT schufen dann das Fundament: Als tragendes Element (»Eckstein«) wurde von ihnen in einem, für die hellenistische Antike nicht ungewöhnlichen Prozess, aus dem Menschen Jesus ein antik-hellenistischer Gott geformt, die »Kunstfigur« Christus. Die ersten vier sog. »Ökumenischen Konzilien«, von Nicäa (325) bis Chalcedon (451), türmten dann Mauerwerk und Dach auf die vorbereiteten Fundamente: Auf diesen Zusammenkünften erstarrten, mehr oder weniger zufällig favorisierte, Glaubensmeinungen zu den bekannten, noch heute(!) gültigen, Dogmen (Details s. hier). Diese Fantasieprodukte aus der abschließenden Bauphase des theologischen Denk-Gettos limitierten von Anfang an sehr streng die Zahl der den Getto-Insassen verfügbaren Denk-Optionen. Dieser Zustand der Selbstbeschränkung kann mittlerweile auf eine "ehrwürdige" Tradition von 16hundertjähriger Dauer zurückblicken. Anmerkung
Konsequent sachlich gibt er im ersten Teil seines Buches einen Überblick über die Christentumskritik seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Darüber hinaus analysiert er ausführlich die wesentlichen christlichen Glaubensinhalte und spricht in beeindruckend ehrlicher Weise von seiner persönlichen Betroffenheit. Er sagt im Kapitel Persönlich-sachliche Schlussbetrachtung:
Der Münchener Theologe Friedrich Wilhelm Graf (*1948) schrieb in einem Beitrag in der FAZ vom 21. Februar 2008 (s. auch hier), in dem er sich kritisch mit der "Akademischen Theologie" befasste, u. a. Folgendes:
Im Buch Der Jesus-Mythos des katholischen Theologen Peter de Rosa (*1932) fand ich ein Beispiel, das die Plausibilität der von Graf geäußerten Kritik erhärtet. De Rosa bezieht sich auf eine kurze Passage aus einem Werk des lutherischen Theologen und Orientalisten Joachim Jeremias (1900-1979), das 1970 erschienen war:
De Rosa merkt dazu noch an:
Einschlägig vorgebildeten Spezialisten mag die Lektüre eines solchen akademisch-theologischen Elaborats ein besonderes Vergnügen bereiten, mir als "Außenstehendem" erscheint es tatsächlich als "absurd". So oder ähnlich sehen wohl die Arbeitsergebnisse jener Theologen an den deutschen Universitäten aus, die es sich, nach Friedrich W. Graf, "in ihrem staatskirchenrechtlich geschützten Theotop behaglich eingerichtet" haben. Ich vermag nicht zu erkennen, welchen Nutzen derartige philologische Gedankenspiele für die praktische Arbeit der Kirchen haben sollten. Ich vermag daher ebenso wenig zu erkennen, dass im Bereich der Theologischen Fakultäten verantwortungsbewusst mit den von der gesamten Gesellschaft aufgebrachten Finanzmitteln umgegangen wird. Da ist es nur naheliegend, dass, wie Graf erwähnt, "der Wissenschaftsrat die theologischen und religionswissenschaftlichen Fakultäten unter die Lupe nimmt". Es bleibt natürlich die Frage, ob die Mitglieder dieses Gremiums wirklich den Mut haben, "heisse Eisen" anzufassen.
Der Theologe Herbert Koch (*1942) zitiert aus einem Kommentar zu den Ergebnissen einer von der VELKD 1972 durchgeführten religionssoziologischen Untersuchung zum Gottesdienst:
Er erläutert und vertieft diesen Sachverhalt durch die ergänzenden Ausführungen:
Ähnliche Überlegungen hat Peter de Rosa (*1932) in seinem Buch Der Jesus-Mythos geäußert:
Theologen sind gefordert, sich ernsthaft mit den "schwerwiegenden Folgen" auseinanderzusetzen, die der Psychologe Franz Buggle (1933-2011) in seinem Buch Denn sie wissen nicht, was sie glauben "für das geistige Klima in der Bundesrepublik und darüber hinaus in den meisten westlichen Ländern" feststellt: "Verbreitete gesellschaftliche Unredlichkeit und Heuchelei und oberflächlich-undeutliche Religiosität".
Franz Buggle sieht darüber hinaus, dass in dieser Berufsgruppe "das Maß der Außenleitung, die Abhängigkeit von unmittelbaren sozialen Prämien …: Einladung zu Vorträgen, Reisetätigkeit und sonstige Indikatoren der eigenen Wichtigkeit" besonders ausgeprägt sei. Dass den meisten "Gelehrten" kritisches Verhalten gegenüber den Kirchen und deren "religiösen Gegenständen" weitgehend fremd ist, beklagte schon der französische Schriftsteller und Philosoph Pierre Bayle (1647-1706), einer der Hauptvertreter der sog. Frühaufklärung (s. hier). Ich kann mir vorstellen, dass "das Maß der Außenleitung" bei Theologen in den theologischen Fakultäten der Universitäten, wegen ihrer weitgehenden Abhängigkeit von den Kirchenleitungen, ganz besonders ausgeprägt ist. Hinzu kommt, was Franz Buggle so charakterisiert:
Jahrzehnte vor Franz Buggle hat sich der deutsch-amerikanische Philosoph Walter Kaufmann (1921-1980) ähnlich kritisch geäußert:
Es liegt der Schluss nahe, dass es insbesondere unter den akademischen Theologen kaum kritische Intellektuelle gibt, weil viele von ihnen wohl zu reinen »Brotgelehrten« (Friedrich Schiller) mutiert sind, die freiwillig Denkverzicht üben und denen es wesentlich um soziale Akzeptanz und Karriere geht. Es ist zu befürchten, dass sich daran nichts ändern wird, solange die Gesellschaft, großzügig und ohne kritische Fragen zu stellen, Steuermittel zur Finanzierung der theologischen Fakultäten bereitstellt.
Im Jahre 1699 veröffentlichte er in Frankfurt seine schonungslose Kirchenkritik unter dem Titel Gottfried Arnolds unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historien. Ein Ereignis, das Arnold die übelsten Anfeindungen und massive politische Diffamierung durch kirchenhörige gesellschaftliche Kreise einbrachte. Eine weitere Auflage dieses Werkes ist dann erst 1740 in Schaffhausen erschienen, weil es in den damaligen deutschen Ländern niemand wagte, das Buch zu drucken. Wir können uns heute kaum vorstellen, welch persönlicher Mut damals dazu gehörte, Kritik gegen die mächtigen Kirchen zu äußern. Es handelt sich zwar um den Zeitabschnitt, den Historiker die Frühaufklärung nennen, das darf uns jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in jener Zeit immer noch Hexenprozesse gab: Die wahrscheinlich letzte Hexenverbrennung, im Bereich des heutigen Deutschland, fand 1756 (!) in Landshut statt. Weniger bekannt sind die Prozesse und barbarischen Urteilssprüche, u. a. wegen "Gotteslästerung", vor denen noch im 18. Jahrhundert (!), zumindest in den von der Römischen Konfession dominierten Ländern, kaum jemand sicher war (s. hier). Auf diesem historischen Hintergrund verdient die Haltung Gottfried Arnolds höchste Bewunderung. Es stellt sich die Frage:
Anmerkungen Es sei nicht verschwiegen, dass es Theologinnen und Theologen gab und gibt, wenngleich in bedauerlich geringer Zahl, die öffentlich ihre kritische Stimme erhoben. Ich beziehe mich auf jene aus der jüngeren und jüngsten Vergangenheit, die mir in ihren Büchern begegneten. Einige von ihnen haben sich vom Christentum und von ihren Kirchen verabschiedet. Andere fanden den Freiraum für die Veröffentlichung kritischer Gedanken erst im Ruhestand. Einer wurde aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber den tradierten christlichen Glaubensinhalten von seiner Kirche aus dem Pfarrdienst entfernt (Paul Schulz): Helmut Groos, Horst Herrmann, Klaus-Peter Jörns, Joachim Kahl, Herbert Koch, Matthias Kroeger, Heinz-Werner Kubitza, Gerd Lüdemann, Uta Ranke-Heinemann und Paul Schulz.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die in der Gemeindearbeit und Seelsorge tätigen Theologinnen und Theologen sind mit der hier geäußerten Kritik an den tonangebenden Theologen und ihrer Theologie ausdrücklich nicht gemeint. Sie verantworten ja die von ihren Kirchen vorgegebene Theologie nicht, und die meisten von ihnen haben wegen der alltäglichen (Über-)Beanspruchung durch ihren Dienst gar keine Zeit, sich mit der Theologie kritisch auseinanderzusetzen. Letzteres ist natürlich außerordentlich bedauerlich, aber verständlich. In der konkreten Lebenshilfe für Gemeindeglieder ist vornehmlich der Mensch gefragt und nicht die Theologin oder der Theologe. Die Schwierigkeiten, die nicht nur die kirchenferneren, sondern auch die kirchennahen Gemeindeglieder mit dem Glauben haben, bleiben den Pfarrerinnen und Pfarrern natürlich nicht verborgen. Auf Dauer kann dies wohl kaum ohne Folgen für ihren eigenen Glauben bleiben. (Teil-)Ergebnisse einer vom Theologen Klaus-Peter Jörns (*1939) zitierten, 1992 in der Pfarrerschaft der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg durchgeführten Umfrage, scheinen dies zu belegen: Auf die Frage "ob Jesus Christus, wie es der trinitarische Glaube dogmatisch festgelegt hat, mit Gott Vater und Gott Heiligem Geist in einer Dreieinheit Gott ist und als Gott angebetet werden soll", antworteten nur 54% im Westbereich und 71% im Ostbereich mit ja, bei den Berliner Studierenden der Theologie waren es gerade einmal 36%. – Für nur noch 36% der Pfarrerschaft gilt die Bibel als »heilig«. Interessant ist u. a. auch eine von Jörns gemachte qualitative Feststellung: "Eine relativ schwache Akzeptanz finden auch traditionelle Aussagen zur Allmacht (Gott kann alles; Gott lenkt die Welt) und zur Richterrolle Gottes." Daher ist es kaum verwunderlich, dass z. B. im Gottesdienst das gemeinsame Sprechen des Glaubensbekenntnisses von Pfarrerinnen oder Pfarrern mit Formeln angekündigt wird wie "Wir bekennen gemeinsam unseren Glauben mit den Worten der Väter" oder "… mit den Worten der alten Kirche". Darin zeigt sich im einen oder anderen Fall vielleicht so etwas wie ein "stiller Protest" oder "passiver Widerstand". Dass diese Pfarrerinnen und Pfarrer nicht deutlicher "rebellieren", hat wohl einerseits damit zu tun, dass sie bei ihrer Ordination den "Eid" auf die jeweilige Kirchenordnung mit ihrer traditionellen Berufung auf den trinitarischen Gott geleistet haben und andererseits damit, dass im kirchengemeindlichen Alltag die dogmatischen Aspekte der Theologie kaum von großer Wichtigkeit sind und daher auch nicht so oft ins Bewusstsein dringen. Würden sich all die Pfarrerinnen und Pfarrer, die mit einem unruhigen "intellektuellen Gewissen" leben und darunter leiden, zusammentun, um die eigenen Glaubensschwierigkeiten ebenso wie die ihrer Gemeindeglieder unüberhörbar an die Kirchenoberen zu kommunizieren, könnte dies m. E. zum Umdenken in den oberen Etagen der etablierten kirchlichen Hierarchie beitragen.
Über die Sprache der
Theologie Der Psychologe und Religionskritiker Franz Buggle (1933-2011) analysierte in einem Abschnitt seines Buches Denn sie wissen nicht, was sie glauben die geistigen Ergüsse mehrerer namhafter Theologen zum "Kreuzesopfer-Skandal", wie er ihn nennt (s. auch hier). Er fand darin "moderne Bewältigungs- und Interpretationsversuche", die sich "leider nicht selten"
Und er sah sich bei seiner Analyse konfrontiert mit
Am Ende des betrachteten Abschnitts vergleicht Franz Buggle dann die "Sprech- und Schreibweise" der vorgeblichen Geistesgrößen aus der Theologie "mit der klaren, verständlichen Sprache" einiger wirklicher Geistesgrößen aus Philosophie und Naturwissenschaft, "wie beispielsweise David Hume, Schopenhauer, Bertrand Russell, Albert Einstein" und stellt nüchtern fest:
Es ist also eine Binsenweisheit, dass Sprache In der Theologie eine entscheidende Rolle spielt. Wenn das so ist, und ich zweifle nicht daran, dann mussten den Theologen die Ohren klingen bei dem, was der katholische Theologe und Religionspädagoge Hubertus Halbfas (*1932) in einem Radio-Interview sagte:
Nicht zuletzt eine Feststellung wie diese festigt in mir die Überzeugung, dass das Christentum langfristig nur dann eine Überlebenschance hat, wenn es sich grundlegend erneuert. Und dies ist nur dann möglich, wenn sich seine Kirchen und deren "Vordenker" von ihrer Glaubensmeinung verabschieden, dass die seit etwa sechzehnhundert Jahren unverändert beibehaltenen Dogmen göttliche Wahrheiten seien. Die im Alten Testament überlieferte Schöpfungsgeschichte hatte auch einmal diesen Status. Heute begreifen die meisten Christen diese ehrwürdige Überlieferung als Mythos oder als literarisches »Weltkulturerbe« – ohne Schäden für sie selbst oder ihre Religion.
Und Walter Kaufmanns abschließendes Urteil über die Theologie ist nicht sonderlich schmeichelhaft:
"Woher rührt die chronische Misere der Theologen aller Zeiten, von Geheimniskrämerei und plumpem oder raffiniertem Schwindel leben zu müssen? Der Grund ist leicht zu erkennen. Statt sich ihrer eigenen Vernunft zu bedienen und die Wirklichkeit selbständig zu analysieren, stützen sie sich auf autoritative Tradition aus der Vergangenheit, Offenbarung genannt. Da diese Vergangenheit in irgendeinem Sinn als normativ gilt, kann sie meist nur mit Hilfe von «hermeneutischen» Tricks den Anforderungen der Gegenwart angepasst werden. So verspielen die Gottesgelehrten beides: die wirkliche Vergangenheit und die wirkliche Gegenwart." Kurz zusammengefasst lässt sich wohl sagen: Denken und Reden der Theologen werden von "Autoritätsdusel" und Ignoranz bestimmt. "Autoritätsdusel" ist, und das hat nicht nur Albert Einstein (1879-1955) so gesehen, "der größte Feind der Wahrheit". Und die bei Theologen weitverbreitete Ignoranz hindert diese u. a. daran, die nüchternen oder besser: ernüchternden Ergebnisse der historisch-kritischen Leben-Jesu-Forschung zur Kenntnis zu nehmen oder gar ihre "Schäfchen" darüber aufzuklären.
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